Noch zehn Arbeitstage, dann habe ich Urlaub. So richtig bewusst ist mir das erst seit fünf Minuten, da habe ich nämlich das erste Mal nachgezählt. Und wirkliche Vorfreude will bei mir auch noch nicht aufkommen – komisch?

Wahrscheinlich liegt es daran, dass ich immer noch nicht weiß, was ich dann eigentlich machen werde, abgesehen von ausschlafen und nicht-arbeiten. Ich würde gerne mal wieder eine Woche verreisen. Also wörtlich. Eine ganze Woche lang. Denn seit einigen Jahren hat es bei mir leider immer nur zu diversen Kurztrips gereicht… entweder aus zeitlichen oder finanziellen Gründen. Auch diesmal konnte ich bisher noch nichts planen und warte immer noch auf das letztendliche Go! bevor ich irgendwas in der allerletzten Minute buchen werde.

Ach, Erwachsensein ist so kompliziert. Wenn ich dagegen zurückdenke an die unbeschwerte Zeit der Schul- und Semesterferien wird es mir ganz duselig vor Nostalgie und glücklichen Urlaubserinnerungen…

Meine Familie ist damals selten aus Deutschland heraus gereist – Ferien, das bedeutete entweder eine Reise zu den Großeltern nach Baden-Württemberg oder Urlaub am Ost- oder Nordseestrand. Viel zu erzählen hatte ich hinterher selten. Einige Jahre lang sind wir sogar immer in das selbe kleine Ferienhaus in einem winzigen Dorf an der Nordsee gefahren. Die Tage bestanden eigentlich aus langen Radtouren zum weit entfernten Strand,  baden im Meer – egal wie kalt – und langen Radtouren zurück zum Haus. Die Abende haben meine jüngere Schwester und ich mit seltsamen Spielen und verrückten Spinnereien verbracht.

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Klingt das langweilig? In meiner Erinnerung sind diese Urlaube seltsam verblasste Oasen, in denen Zeit keine Rolle gespielt hat. Meine Eltern haben damals in der Freizeit eher wenig wert auf Sightseeing gelegt und die Tage wurden nicht als möglichst pausenlose Aneinanderreihung außergewöhnlicher Erlebnisse irgendwelcher Art geplant…

Wenn ich das heute genauso halte, habe ich ein schlechtes Gewissen. Ich muss einen spannenden Urlaub planen! Ich habe das Gefühl, Nichtstun ist selbst im Urlaub Zeitverschwendung – als ob es notwendig wäre, etwas vorzuweisen, wenn man aus dem Urlaub kommt. Geht es nur mir so? Ich denke nicht. Freunde von mir erstellen Checklisten mit Dingen, die sie im Urlaub unbedingt tun müssen. Und nicht nur Freunde von mir sammeln auf Facebook Likes für Fotalben, mit denen sich Bild an Bild beweisen lässt, wie aktiv, sozial, erlebnisreich und einfach sinnvoll  der Urlaub gewesen ist. Auch im Urlaub wollen wir Erfolg haben.

Klar ist es schön, neue Orte zu sehen und was zu erleben. Aber wieder mal ein bisschen Abstand von dieser Denke könnte sicher auch nicht schaden. Schließlich haben wir im alltäglichen Arbeitsleben schon genug davon, oder nicht? Vielleicht versuch ich es einfach mal. Und jetzt schau ich mir unspannende aber trotzdem schöne Fotos an von damals. Als es mir und meiner Familie in zeitlosen Oasen noch egal war – ob und wie man noch mehr, mehr, mehr aus der freien Zeit herausholen könnte.

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